Die Zahlen sind alarmierend: Augenärzte gehen davon aus, dass in nicht allzu ferner Zukunft jedes zweite Kind in der Schweiz eine Brille benötigen wird – momentan ist es noch rund jedes dritte. Und selbst das ist eigentlich viel zu viel, wo früher vor allem ältere Menschen von Kurzsichtigkeit betroffen waren. Allerdings ist Kurzsichtigkeit kein Schweizer Problem, denn weltweit steigt die Anzahl kurzsichtiger Kinder bereits seit Jahrzehnten drastisch an. Beispiel Asien: Alleine zwischen 1990 und 2000 hat sich der Anteil kurzsichtiger Kinder im Alter von acht Jahren in Taiwan verdoppelt. Eine Entwicklung, die sich in den letzten Jahren auch in unseren Breitengraden deutlich abzeichnet.
Gründe für Kurzsichtigkeit bei Kindern
Das grösste Problem für Kurzsichtigkeit bei Kindern ist fehlendes Tageslicht in Kombination mit zu langem “Nahsehen”. Fakt ist: Es ist erst einmal egal, ob man in ein Buch oder auf das Smartphone starrt. Wer über Stunden hinweg im stets gleichen Abstand auf Hefte und Bildschirme blickt, beansprucht den Krümmungsmechanismus der Augenlinse. Da sich das Freizeitverhalten der Kinder dahingehend verändert hat, dass auch nach der Schule am PC-, Smartphone- oder Tablet gespielt und kommuniziert wird, bekommt das Auge keine Ruhepausen mehr. Besser wäre, an der frischen Luft zu toben und in die Ferne zu schauen, statt fernzusehen.
Tageslicht für Kinderaugen wichtig
Neben dem “in die Ferne blicken” fördert speziell das Tageslicht ausserhalb geschlossener Räume die Augengesundheit unserer Jüngsten. Spezialisten für Kinderaugenheilkunde empfehlen Heranwachsenden mindestens zwei Stunden Aufenthalt im Freien pro Tag. Bei dem Leistungsdruck, dem Kinder und Jugendliche vermehrt ausgesetzt sind, wird es jedoch schwierig, diese Empfehlung einzuhalten. Die Folgen sind unschön: Kinder, die weniger als eine Stunde täglich draussen sind, haben bereits ein um 33 Prozent erhöhtes Risiko, frühzeitig kurzsichtig zu werden, erläutert Wolf Lagrèze, Spezialist für Kinderaugenheilkunde an der Uniklinik in Freiburg i. Br. in einem Interview mit dem Tages-Anzeiger.
Tageslicht erhöht den Dopaminspiegel in der Netzhaut. Je länger sich ein Kind im Freien aufhält, desto stärker verhindert der Botenstoff, dass der Augapfel in die Länge wächst. Wie es zu dieser Wirkung des Dopamins kommt, ist noch nicht genauer untersucht. Ein zu langer Augapfel ist einer der zwei Hauptursachen für Kurzsichtigkeit.
Blaues Licht und Sehschwäche: Mitschuld der Digitalisierung
Wie bereits erwähnt, macht es beim Problem des “Nahsehens” keinen Unterschied, ob man ein Buch oder ein Tablet in der Hand hält. Einen nicht zu vernachlässigenden Nachteil hat die digitale Variante jedoch: Um weisses Licht zu erzeugen, mischen die LEDs, aus denen die Bildschirme bestehen, vor allem blaues und gelbes Licht – das Tageslich-Spektrum der Sonne ist viel grösser. In diesem Zusammenhang häufen sich die Anzeichen, dass der “spitze” Blauanteil bei Bildschirmen unsere Augen auf Dauer schädigt.
Während UV-Licht im vorderen Augenbereich absorbiert wird, dringt energiereiches Licht mit unausgewogen hohem Blauanteil annähernd ungefiltert durch das Auge bis auf die Netzhaut. In einem Gespräch mit dem Wissenschaftsmagazin “Spektrum” verdeutlicht Netzhautforscher Christian Grimm von der Universität Zürich, dass “Blaulicht” so starke Schäden an Netzhaut und Sehzellen hervorrufen kann.
Mittel gegen Kurzsichtigkeit bei Kindern
Um der Kurzsichtigkeit bei Kindern vorzubeugen, sollten Eltern darauf achten, den Zugriff für Kinder auf Spielekonsolen, Smartphones und Computer so gut es geht einzuschränken. Wenn seitens der Schule der Umgang mit digitalen Medien zur Recherche und dem Bearbeiten von Hausaufgaben gefordert wird, sind dieser vorbeugenden Massnahme natürlich Grenzen gesetzt. Ein konsequentes Fördern von privater, sportlicher Aktivität (am besten Sport, der im Freien ausgeübt wird) kann Kurzsichtigkeit ebenfalls vorbeugen. Sind bereits Anzeichen von Kurzsichtigkeit vorhanden, therapieren Augenärzte diese mit Kontaktlinsen, Gleitsichtbrillen und Augentropfen (z. B. Atropin).