Der Gang zum Arzt für ein Rezept wird bei akuten Erkrankungen in Zukunft nicht mehr unbedingt notwendig sein. Die Swica hat vor Kurzem eine Praxisbewilligung für das Telmed-Zentrum Santé 24 erhalten. Die im Zentrum angestellten Ärzte dürfen nun mehr als nur beraten: Ab sofort können die Mediziner auch Rezepte für verschreibungspflichtige Medikamente über einen digitalen Kanal ausstellen. Ein persönliches Gespräch, bei dem sich Arzt und Patient in die Augen schauen, ist nicht mehr notwendig. Bei Missbrauchsverdacht werden allerdings kritische Nachfragen gestellt. Ferner ist die Vergabe von Arztzeugnissen etc. begrenzt.
3-jährige Testphase gestartet
In Zürich besteht derzeit noch keine rechtliche Grundlage, auf der ein ausschliesslich telemedizinisches Diagnostik- und Therapie-Modell dauerhaft umsetzbar wäre. Das Projekt ist demnach vorerst auf drei Jahre beschränkt. Auch bei der Art der Erkrankungen, bei denen ohne Arztbesuch Rezepte und Arztzeugnisse ausgestellt werden, beschränkt sich dies auf banale Erkrankungen wie Blasenentzündung oder Erkältung. Schwerere Erkrankungen, bei denen die Beschwerden nicht eindeutig einem Krankheitsbild zuzuordnen sind, müssen nach wie vor in einer “echten” Praxis diagnostiziert werden.
Silke Schmitt Oggier, die Leiterin von Santé 24, erklärte in einem Gespräch mit der Neuen Zürcher Zeitung, dass das Zentrum bis zum Jahresende 2019 weitere akute Erkrankungen mit aufnehmen möchten, für die Rezepte und Überweisungen rein telefonisch bzw. digital ausgestellt werden können.
Kritische Nachfragen bei Missbrauchsvermutung
Wenn die Ärzte der Telmed-Praxis das Gefühl haben, dass ein Patient oder eine Patientin lediglich ein Arbeitsunfähigkeitszeugnis möchte, werden kritische Fragen gestellt. Die Mediziner verlangen teilweise auch, dass Patienten Fotos senden, mit denen eine bessere Diagnose gestellt werden, und ein Missbrauch des Modells ausgeschlossen werden kann. Hierbei kann es zum Beispiel um Fotos eines geschwollenen Knies handeln. Ausserdem werden den Anrufern über die Telmed-Praxis lediglich zwei Arztzeugnisse jährlich ausgestellt. Ferner soll eine vereinfachte Beschaffung von Suchtmitteln dank fester Regeln und Grenzen bei der Rezeptvergabe ausgeschlossen werden.
Angebot momentan nur für Swica-Versicherte
Das Angebot des telemedizinischen Zentrums Santé 24 kann derzeit nur von Schweizerinnen und Schweizern genutzt werden, die eine Grund- oder Zusatzversicherung bei der Swica besitzen. Allerdings erwägen die Verantwortlichen, das Modell in Zukunft auch Versicherten bei anderen Krankenkassen zur Verfügung zu stellen. Die Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte FMH zeigte sich in einem Gespräch mit der NZZ offen gegenüber solchen Modellen. Allerdings sei es wichtig, zu betonen, dass solche Angebote auf keinen Fall die Qualität medizinischer Diagnostik sowie die Unabhängigkeit der Ärzte beeinflussen dürfe.